In unserer Aula hielt jetzt der Zeitzeuge Manfred Kühnelt einen Vortrag über seine Erfahrungen mit dem DDR-Regime.
Über 70 Abiturientinnen und Abiturienten lauschten beeindruckt, wie Kühnelt im Jahr 1973 als Ostberliner einer Frau nach Westberlin verhelfen wollte. Was nur als Freundschaftsdienst gedacht war, endete für Kühnelt mit 30 Monaten Haft.
Der damals 22-jährige Kühnelt hatte die Frau auf der Transitstrecke nach Westberlin einem Westberliner übergeben wollen. Doch schon auf der Fahrt hatte Kühnelt bemerkt, dass er verfolgt wird, sodass die Übergabe nicht stattfand und Kühnelt mit der Frau wieder zurückfuhr. Erstaunlicherweise wurde er nicht sofort verhaftet, sondern zunächst ein halbes Jahr lang vom Ministerium für Staatssicherheit überwacht.„Mir fuhren immer wieder Autos mit denselben Kennzeichen hinterher“, erzählt Kühnelt, „das war schon auffällig.“ Er vermutet, dass die Stasi ihn zunächst nur ausspioniert hatte, um an eventuelle Hintermänner zu kommen. Da Kühnelt aber nicht Teil einer großen Schleuserbande war, schlug die Stasi dann ein halbes Jahr nach dem abgebrochenen Fluchtversuch zu. Nach einem kurzen Prozess, bei dem er seinen Anwalt nur einmal vorab gesehen hatte, verbrachte er seine Haftstrafe zunächst in Hohenschönhausen, später wurde er nach Cottbus verlegt. Am Anfang musste er drei Wochen in Isolationshaft verbringen, die ihn besonders mitgenommen haben. Später war er mit 16 Männern auf einer Zelle. „Das war aber ganz und gar nicht so schlecht, wir haben uns alle nämlich gut verstanden“, blickt Kühnelt zurück. Dank seines Anwalts wurden er und nach und nach auch seine Zellengenossen vom Westen freigekauft. Kühnelts Frau und seine Tochter waren auch „miteingepreist“, sodass sie direkt als Familie in den Westen konnten, wo er sich dann später in Duisburg niederließ.
Nach seinem Vortrag, der von Dr. Frank Hoffmann von der Ruhr-Universität Bochum organisiert und moderiert wurde, konnten die Schülerinnen und Schüler der Q2 dem Zeitzeugen noch Fragen stellen. Auf die Frage, wie er die Täter heute bestrafen würde, wenn er Richter wäre, antwortete Kühneltganz nüchtern „mit rechtsstaatlichen Mitteln“. Dass er keinerlei Groll oder Zorn gegenüber der Haftzeit und dem Regime hegte, habe alle Anwesenden besonders beeindruckt, betont Geschichtslehrer Christian Großmann. Nachgetrauert hat Kühnelt dieser Zeit aber natürlich nicht. So war die Antwort auf die Frage, ob er die DDR vermisse, keine Überraschung: ein deutliches „Nein“.